Hallo alle,
ich will doch noch von meinem russischen Abenteuer berichten – vielleicht interessiert’s die eine oder andere hier? Avapeter wurde ja noch nicht vorgestellt. Damit der Beitrag nicht allzuschnell verschwindet, stelle ich ihn allgemein und osteuropäisch ein...
Erst mal ein paar Worte zum Klinikwechsel. Viele hier wissen ja, dass ich vorher bei Novum war und von dort eine Tochter mitgebracht habe. Nach dem Verlust meiner Schwangerschaft im Januar wollte ich schnell einen weiteren Versuch machen. Ich fühle mich mit 45 einfach an der Altersgrenze. Novum wollte mich aber erst nach der Sommerpause im September/Oktober wieder behandeln. So lange wollte und konnte ich nicht mehr warten.
Zudem wollte ich gerne einen Kryotransfer machen. Meine beiden EZS liefen jeweils auf eine Kryo-Embryospende raus, und damit wurde ich beide Male auch schwanger. Insofern dachte ich dann, dass man die Vorteile dieser Methode auch nutzen kann, wenn sie offensichtlich bei mir funktioniert – also die Planbarkeit und die Verfügbarkeit. Ich habe jetzt, in meinen 1o. KB-Versuch, nicht mehr die Nerven für die Spenderinnensuche-Warteschleife-Vertröstetwerden-Nummer, die bekanntlich bei Novum immer etwas mehr Geduld erfordert. Ich kann einfach nicht mehr; ich bin in dem Stadium, wo das alles zu belastend wird, und es ist auch definitiv mein letzter Versuch. Novum wollte aber auf jeden Fall zunächst eine Frisch-Spende avisieren und sah den Kryo-Transfer nur als Plan B an.
Ein dritter Grund war, dass ich den Ton bei Novum unangenehm verändert fand. Zwischenzeitlich ist Novum expandiert und Joanna hat den den deutschen Kundenkontakt übernommen. Sie ist persönlich nicht unsympathisch, aber äußerst herb und reserviert im Umgang. Unsere Standards für den Umgang mit Kunden sind jedenfalls andere. Ich habe während des Behandlungszyklus kein einziges freundliches oder persönliches Wort zu hören bekommen, auch keine Frage nach meinem Befinden oder ähnliches. Nach dem Verlust der Schwangerschaft kam zwar Bedauern - aber im gleichen Atemzug die Ansage, meine Behandlung habe den Doktor viel Kraft und Nerven gekostet. Abgesehen von der sachlichen Unbegründetheit – ich bilde mir ein, eine einigermaßen angenehme Patientin zu sein – muss ich etwas in der Art nicht unbedingt noch mal hören.
Ich habe mich dann für Avapeter entschieden. Dort konnte ich einfach zwei Kryo-Embryos transferiert bekommen. Von den 5 Kliniken, die ich kontaktiert habe, bestanden 4 auf einer Frischspende, also einer EZS + Samenspende. Das aber wollte ich nicht mehr. Dann hätte ich wahrscheinlich wieder Kryo-Embryos behalten, und ich weiß genau, dass ich die alle hätte abholen müssen, notfalls mit 5o noch. Ich hätte mich dazu verpflichtet gefühlt, und diese Verpflichtung wollte ich mir keinesfalls mehr aufbürden Ich will mich ja aus der KiWu-Mühle befreien. Es ist höchste Zeit dazu.
Also Avapeter. Die dortige Ärztin, Dr. Zaytseff, ist ja aus dem Forum bekannt, und ihr werdet alle festgestellt haben, dass sie sich akribisch um unsere Anliegen kümmert. Das war mir schon im Vorhinein sympathisch. Die Kryo-Transfere gehören da offenbar zum Standardgeschäft; mein Anliegen war also nichts Besonderes. Der Tarif war 1.55o Euro; die Erfolgsraten für Kryo-Embryospende werden mit 35% angegeben. Die Embryos werden extra für diesen Zweck hergestellt.
Die Klinik liegt in der Hauptstraße von St. Petersburg in der 1. Etage. Die Klinik ist sehr verschachtelt – ich habe den Weg zurück nie alleine finden können. Die Pracht von Novum hat sie nicht. Aber es macht trotzdem einen recht guten Eindruck. Die Laborqualität kann ich nicht beurteilen. Ein Malus ist der Wartebereich. Es läuft ein Fernseher, der zudem unangenehm laut ist – das war mir unerträglich. Dazu schlechte Luft, übellaunige Russen und zwei blasierte, unausgelastete Empfangsdamen.
Was jedoch sehr für Avapeter spricht, ist Dr. Zaytseff - oder Dr. Chanycheva, als die ich sie kennenlernte (eine kürzliche Heirat?) Dr. Chanycheva ist eine junge, hübsche, frische und wirklich äußerst sympathische Ärztin, zu der ich sofort vollstes Vertrauen hatte. Sie übt ihren Beruf mit Sorgfalt und einer gewissen Zartheit aus; das fand ich – gerade in meinem dünnnervigen Zustand – sehr wohltuend. Sie hört zu – und spricht fließend Deutsch. Sie hat einen ethischen Anspruch an ihre Arbeit und gibt auf Intuition. Zudem habe ich Dr. Chanycheva als geistig beweglich erlebt; weit weg vom „Schema F“ oder anderen Behandlungsroutinen. Gerade bei meiner seltenen Immunproblematik hatte ich bei vielen Ärzten den Eindruck, ich könnte meine Argumente genausogut einer Wand vortragen. Ich hoffe, dass sie sich Dr. Chanycheva diese Beweglichkeit auch nach längeren Berufsjahren erhalten kann. Diese junge Ärztin verdient eine unbedingte Empfehlung.
Allerdings wird Avapeter vermutlich mit einer gewissen Hemmschwelle zu kämpfen haben – Russland. Da ist zum einen die Sache mit dem Visum. Man muss mindestens 6 Wochen, besser länger dafür einrechnen, und es ist natürlich nervig und ein Schritt, den wir EU-Bürger einfach nicht mehr recht willens sind, zu tun. Und es kostet 15o Euro; man muss es über Dienstleister abwickeln. Und natürlich schiebt man Panik, wenn der Pass eine Woche vor Abflug noch nicht wieder da ist… Wegen des Visums muss man also den Zyklus gut timen, in jedem Fall downregulieren etc. Spontan drei Tage früher loszufahren – weil sich etwa wie bei mir ein Follikel gebildet hat - ist eben nicht möglich.
Auch ansonsten bin ich nicht so leicht nach Russland gefahren wie in ein anderes Land. Ich habe sicher noch nie so oft nach meinem Pass geguckt wie in diesen Tagen. Und man merkt auch im täglichen Umgang, dass Russland kein freies und bürgerliches Land ist. Kleinigkeiten sind es – eine gewisse Lust an der Machtausübung bei den kleinen Königen hinter der Kasse, in der Passkontrolle… nicht angenehm. Zudem fällt mir bei den Russen immer wieder deren Indifferenz auf. So etwas leicht Maskenhaftes, wie es ja Putin ganz extrem hat. Aber die anderen haben es auch, in leichterer Form. Ich frage mich ernsthaft, ob die Russen frei und offen lachen können. Putin hat man ja noch nie lachen sehen, und auch ich habe – trotz eines ganzen Nachmittags mit einem netten jungen Russen – kein spontanes Lachen gesehen, bei niemanden. Auch gelächelt wird wenig. Vielleicht ist das verpönt oder steuerpflichtig. Insgesamt gebricht es diesem Land (noch?) an Liebenswürdigkeit. Darauf sollte man sich einstellen.
St. Petersburg ist eine prachtvolle, sehr hauptstädtische Stadt. Eine Stadt zum Angucken, weniger zum Wohlfühlen. Ein Eldorado für Museumsfans. Aber absolut sehenswert. Ich hatte leider nur einen Nachmittag, da ich wegen meiner Tochter so kurz wie möglich fahren wolle. Eine Sünde, für die mich der Gott des Tourismus sicher dereinst zur Rechenschaft ziehen wird! Aber immerhin bin ich 4 Stunden strammen Schritts durch die Stadt getrabt… das gibt vielleicht mildernde Umstände.
Zurück zur Behandlung. Ich hatte morgens meinen Voruntersuchungstermin. (Ich sollte vielleicht noch anfügen, dass Avapeter mehr Papierkram verlangt als andere Kliniken. Diverse Blutuntersuchungen, Krebsvorsorge, eine Bescheinigung über den Allgemeinzustand, Aidstest etc. nicht älter als 3 Monate….Die Kliniken werden engmaschig kontrolliert). Nachdem also Papiere und Unterleib für gut befunden wurden, gab Dr. Chanycheva das Signal zum Auftauen. 2 Stunden später hatte ich den schnellsten Transfer meines Lebens. Zwischen „Kommen Sie rein und ziehen sie sich aus“ und „Das ist Ihr Fahrer“ lagen vielleicht 35 Minuten. Vorgesehen war eine Stunde, aber es lief an dem Morgen nicht nach Plan. Und bei mir gab es ein Flugzeug zu erwischen… Es wurden also zwei Blastos transferiert. Die wichtigsten Kriterien habe ich im Vorhinein angegeben, und ich gebe viel auf Dr. Chanychevas ersten Satz, dass sie sicher sei, die richtigen Spender aus gewählt zu haben. Ich wollte aber über die Spender nichts Näheres wissen – ich will mein Kopfkino gar nicht erst anspringen lassen. (Ich kann beim besten Willen nicht nachvollziehen, wie man versuchen kann, die Spenderin zu identifizieren oder gar zu sehen. Danach sieht man deren Züge doch beim Kind.)
Ich bin also sofort nach dem Transfer zurückgeflogen. Da ich immer die höchsten HCG-Referenzwerte des jeweiligen Tages habe, weiß ich auch schon, dass es bisher geklappt hat. Der heutige Urintest (ET+5) ist bereits schwach positiv. Aber ich habe ja auch lernen müssen, dass ein positiver Test und ein Baby auf dem Arm zweierlei sind. Insofern bleibe ich dieses Mal skeptisch. In jedem Fall aber wird mir dieser Versuch Gewissheit bringen, und die brauche ich fast dringender als ein 2. Kind.
Hier noch einige konkrete Tipps für diejenigen, die dorthin fliegen:
Die Klinik ist nicht ganz leicht zu finden. Merkt euch die kyrillische Schreibweise und das Logo. Die Klinik liegt gegenüber der Kazan-Kathedrale, einem markanten, hufeisenförmigen Säulengebäude mit einer großen goldenen Sonne an der Fassade. Vor diesem Gebäude stehen zwei Figuren mit Schriftrollen. Eine hält die Rolle hoch, die andere gesenkt. Geht auf die Seite mit der gesenkten Rolle. Dort gegenüber ist ein ockerfarbenes Haus. Der Eingang ist seitlich, also nicht vom Newsky-Prospekt aus, sondern von der Querstraße. Es geht durch eine beige Eichentür, die in eine Apotheke führt (das Wort sieht aus wie „Anteka“) in die eigentliche Klinik.
Es gibt in Russland preiswerte Tagesdosen (Spritzen) Gestagen; nehmt euch welche mit. (1o St. 5.-; besser als Utrogest)
Ein Restauranttipp: „Idiot“, Moika nab 82, in der Nähe der St. Isaaks-Kathedrale. Sehr gutes vegetarisches Essen (+ Fisch), sehr gemütlich – und das braucht man in dieser Stadt. Dort hat übrigens Dostojewski schon gegessen.
Geht auf jeden Fall in eine Messe, z.B. während der Wartezeit in die Kazan-Kathedrale. Die fantastischen Chöre und die russische Volksfrömmigkeit sind bewegend.
Und der von Avapeter empfohlene Fahrer ist sehr sympathisch, auch ein guter Reiseführer. Leon bietet auch Ausflüge an.
Soweit meine Eindrücke aus St. Petersburg.
Viele Grüße
Romy